Die Deutsche Bahn will bei angehenden Azubis zukünftig auf das Bewerbungsanschreiben verzichten und über ihre Online-Plattform nur noch Lebenslauf und Zeugnisse der Interessierten prüfen. „Für Schüler ist so ein Motivationsschreiben schon schwierig“, sagte Carola Hennemann, die die Personalgewinnung in Baden-Württemberg leitet und bundesweit für die Einstellung von Ingenieuren zuständig ist. „Auch andere sind froh, wenn sie nicht so viel schreiben müssen. Wir prüfen die Motivation der Bewerber sowieso nochmal in einem Gespräch ab.“ Bei der Bahn hat der Verzicht auf das Anschreiben auch den Grund, dass der Konzern durch eine Pensionierungswelle viele neue Mitarbeiter einstellen muss. So erhofft man sich, möglichst viele Bewerbungen zu generieren. Aber lässt sich die Vorgehensweise auf andere Unternehmen übertragen?
Bestimmte Fach- und Führungskräfte sind hart umkämpft und haben bei der Wahl ihrer Arbeitgeber eine größere Auswahl. Hier können Firmen, die auf ein Anschreiben verzichten, die Hemmschwelle senken, damit sich Kandidaten für eine Bewerbung bei ihnen entschließen. Andererseits werden schwer zu besetzende Positionen häufig durch die Unterstützung von Personalberatungen oder über Kontakte besetzt. Dabei kommt ein normales Anschreiben selten zum Einsatz.
In vielen Fällen ist ein Anschreiben jedoch unverzichtbar – zum Beispiel bei Berufsbildern, die viel schreiben müssen wie Pressereferenten oder Marketing-Experten. Dort gilt weiterhin: Das Bewerbungsanschreiben ist eine Arbeitsprobe und die Eintrittskarte für ein Vorstellungsgespräch. Und rein aus dem Lebenslauf können beispielsweise Aufgabenbeschreibungen oder zeitliche Lücken nur mäßig erklärt werden.
Eine Arbeitsmarktstudie des Personaldienstleisters Robert Half zeigte 2017 bereits, dass immer mehr Personalentscheider Anschreiben für unwichtig halten. Fast die Hälfte (48%) finden Bewerbungsanschreiben nicht besonders aussagefähig. 32% gaben an, dass die Anschreiben ihnen keinen Mehrwert an Informationen gegenüber dem Lebenslauf geben. Und 15% sagten, dass sie keine Zeit für das Lesen hätten. Anhand dieser Ergebnisse liegt ein Verzicht auf das Anschreiben nahe. Überlegen Sie sich für Ihre nächste Vakanz doch folgendes: Ist es notwendig, die Orthografie- und Schreibkenntnisse des Bewerbers zu überprüfen? Kann ich in einem kurzen Telefonat mehr erfahren, als auf einer DIN-A4-Seite steht? Auch wenn dies zunächst nach Mehraufwand klingt: Wenn Sie Ihre Kandidaten kurz, aber dafür persönlich am Telefon kennenlernen, laufen Sie weniger Gefahr, einen qualifizierten Bewerber zu übersehen, der sich schriftlich nicht perfekt ausdrücken kann.
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Schafft das Bewerbungsschreiben ab - oder lieber nicht?
Schafft das Bewerbungsschreiben ab! Das fordern immer mehr Auszubildende (für die diese Aufgabe ein Graus ist) und Personalabteilungen (für die das Anschreiben nicht in jedem Fall aussagekräftig ist) gleichermaßen. Aber ist dies für alle Bewerbungen der richtige Weg?