Zudem findet auch die Digitalisierung zunehmend Einkehr in fast alle Bereiche, wodurch sich neue Tätigkeitsfelder entwickeln oder vorhandene Bereiche hinsichtlich projektbasierter Arbeiten neu zusammenschließen bzw. vernetzen. Dadurch verändern sich auch die Anforderungen an Bewerber:innen und neue Berufsbezeichnungen entstehen. Für HR-Abteilungen bedeutet das, bestehende Muster in ihrem Recruiting aufzubrechen, über neue Möglichkeiten nachzudenken, den Bewerbungsprozess an die inhaltlichen Leistungsanforderungen von neuen Tätigkeitsbereichen anzupassen und somit die Aufmerksamkeit von Bewerber:innen zu erlangen, als auch die Effizienz der eigenen Recruitingprozesse zu steigern.
Aivy, ein Start-up, das sich auf dem Gebiet der beruflichen Eignungsdiagnostik im HR-Bereich spezialisiert hat, beschäftigt sich bereits seit Längerem mit der Analyse von individuellen Talenten im Recruitingprozess von Unternehmen. Das Start-up hat intelligente Methoden entwickelt, um arbeitsplatzbezogene Kompetenzen, Eigenschaften und Verhaltenstendenzen von Bewerber:innen zu messen – und zwar auf spielerische Art und Weise, in Form sogenannter Game-based Assessments. Und weil wir an das Recruiting von morgen glauben, haben wir 2020 als Lead-Investor auch in Aivy investiert!
Um mehr über Recruitainment, moderne Arbeitswelten und relevante Job Skills zu erfahren, haben wir Florian Dyballa (Geschäftsführer von Aivy) zu diesen Themen befragt und ihm ein paar interessante Fragen gestellt, die Sie sich als HR-Spezialist:in auf keinen Fall entgehen lassen sollten.
- Heutzutage wird in der HR-Welt viel von „modernen Arbeitswelten“ gesprochen. Wie definierst du den Begriff und was macht eine moderne Arbeitswelt aus Sicht von Aivy aus?
Wenn über die moderne Arbeitswelt oder New Work gesprochen wird, verstehen wir darunter die Transformation in HR, mit der sich Unternehmen für die Zukunft wappnen. Entwicklungen wie die zunehmende Digitalisierung und Automatisierung machen dies genauso notwendig wie immer interdisziplinärere Arbeitsmärkte. Dem sollte man aktiv begegnen, um diesen Wandel erfolgreich für sich zu gestalten; im Recruiting, genauso wie im Bereich der Weiterbildung.
- Findest du, dass sich die Anforderungen an Bewerber:innen allmählich verändern? Wenn ja, inwiefern? Und woher kommt das?
Ja, und das ist in den meisten Fällen auch absolut begrüßenswert. Denn statt den Fokus auf einzelne Fachkompetenzen zu setzen, wird es in Zukunft darum gehen, ein ganzheitliches Bild von Bewerbenden zu erhalten. Individuelle Fähigkeiten werden zunehmend wichtiger. Diese zu erkennen und mit den Anforderungen abzugleichen, ist Aufgabe einer modernen Personalauswahl. Ich spreche in dem Zusammenhang auch gerne von der Karriere-DNA, also der Gesamtheit aller individuellen Potenziale, die wir mit Aivy für Unternehmen entschlüsseln.
- Immer häufiger lesen wir, dass HR-Abteilungen die klassische Bewerbungsmappe streichen. Warum findest du es wichtig, dass sich Unternehmen mit alternativen Bewerbungsprozessen und Rekrutierungsmaßnahmen beschäftigen?
Die Auswahlentscheidung auf Unterlagen wie dem Motivationsschreiben zu stützen, ist nicht zielführend. Es stellt, wissenschaftlich gesehen, kein geeignetes Kriterium dar, um Arbeitserfolg vorauszusagen. Entsprechend ist es nur folgerichtig, sich davon zu lösen, auch um Hürden in der Bewerbung abzubauen. Denn ineffiziente Bewerbungsprozesse schrecken insbesondere die junge Zielgruppe ab: Als Digital Natives sind diese direktes Feedback gewohnt. Eine nicht mobil optimierte Karriereseite, etwas per Post zu versenden, oder wochenlang auf eine Antwort zu warten, führt hier schnell zu Unzufriedenheit.
Gleichzeitig müssen Unternehmen vermehrt auf individuelle Passung achten; also herausfinden, ob Talente zu der Stelle sowie zum Unternehmen passen. Denn nur dann stellt sich Arbeitserfolg und -zufriedenheit ein – und das auf beiden Seiten. Eignungsdiagnostik kann hier der Schlüssel zum Erfolg sein. Denn so lernen sich beide Seiten bereits früh im Prozess kennen und erhalten Einblicke in Motivation, individuelle Werte oder die Persönlichkeit. Allesamt Aspekte, die sich nicht so einfach aus dem Lebenslauf lesen lassen.
- Recruitainment, Gamification, Game-based Assessment: Was hat es mit diesen Begriffen auf sich? Und: Können sie eine Chance für modernes Recruiting sein?
Letztlich geht es bei all diesen Begriffen darum, die Recruitingprozesse durch spielerische Elemente ansprechender zu gestalten. Eine gute Candidate Experience ist extrem wichtig und auch für die eigene Employer Brand förderlich. Dies gilt auch für psychologische Testverfahren, welche bisher noch zu wenig oder viel zu spät im Prozess zum Einsatz kommen.
Der Grund dafür ist, dass entsprechende Verfahren oft als langwierig und abschreckend wahrgenommen werden. Hier stellt Gamification eine große Chance dar, um psychologische Eignungsdiagnostik ansprechend zu verpacken. Und das funktioniert außerordentlich gut: 9 von 10 Nutzer:innen ziehen Game-based Assessments den klassischen Online-Assessments vor. Was insofern nicht verwundert, da die durchschnittliche Zeitersparnis bei 80 Prozent liegt. Das bedeutet also, dass beispielsweise ein Persönlichkeitskonstrukt binnen 2 bis 3 Minuten mindestens genauso valide erfasst werden kann, wie in 20 Minuten bisheriger Testdiagnostik. So kann bereits sehr viel früher im Prozess – und zwar mit der ersten Vorauswahl – psychologische Eignungsdiagnostik im Recruiting zum Einsatz kommen. Und Gamification hat sogar das Potenzial, validere Daten zu erheben, da hierdurch sozial erwünschtes Antwortverhalten aktiv vermieden werden kann.
- Junge Zielgruppen, wie beispielsweise die Generation Z, sind dafür bekannt, dass sie sich viel mit dem Smartphone beschäftigen. Allerdings auch dafür, dass sie sich ungern von Spielereien im Alltag ablenken lassen. Sind Game-based Assessments tatsächlich für diese Zielgruppe geeignet und wenn ja, welche Argumente sprechen dafür?
Für die Effekte der Gamification gelten keine Altersgrenzen. Dennoch profitiert insbesondere die Generation Z von einer solchen Lösung. Die einzelnen Verfahren sind auf die Aufmerksamkeitsbereitschaft der Zielgruppe optimiert. Ich lerne auf sehr wertschätzende Weise nach jeder „Challenge“ etwas mehr über mich selbst und werde so intrinsisch motiviert. Denn: Testdiagnostik muss keine Blackbox sein.
Die Verfahren sind mobil optimiert und flexibel zu absolvieren. Wir machen uns also das Smartphone als stetigen Begleiter im Alltag zu Nutze und schaffen Mehrwerte. Insbesondere bei Nachwuchskräften, indem wir ihnen Orientierung bieten. Denn welche Stelle im Unternehmen wirklich zu mir passt, wird aus Stellenanzeigen meist kaum ersichtlich. Ein Ansatz, der bereits bei Unternehmen wie Beiersdorf, Fresenius oder Roche erfolgreich im Einsatz ist. Und das nicht ganz selbstlos: Die Verweildauer auf der Karriereseite wird gesteigert, die Qualität der Bewerbungen verbessert und ich bleibe als Arbeitgeber positiv in Erinnerung.
- Wir können uns vorstellen, dass einige Unternehmen Game-based Assessments noch relativ skeptisch gegenüberstehen. Welche Ängste äußern Firmen bzgl. spielerisch aufbereiteten, psychologischen Testverfahren? Und was entgegnet ihr Kritiker:innen?
Wir begegnen vereinzelt Meinungen, dass diese Art der Diagnostik zu verspielt sei. Das beruht aber auf einer falschen Vorstellung. Denn es handelt sich bei Game-based Assessments nicht um Videospiele im klassischen Sinne, sondern um psychologische Testverfahren, die ansprechender aufbereitet sind, um deren Akzeptanz zu erhöhen. Und davon haben letztlich sowohl User:innen als auch Unternehmen etwas.
Andere fürchten in dem Zusammenhang, die Verfahren könnten weniger valide sein als klassische Diagnostik. Dem ist aber nicht so, zumindest bei Aivy. Als Ausgründung der Freien Universität Berlin sind alle unsere Tests entlang der Norm für Eignungsdiagnostik (DIN-33430) entwickelt und genügen selbstverständlich den wissenschaftlichen Gütekriterien.
Einige Unternehmen stehen zudem vor der Herausforderung, ihre analogen Bewerbungsprozesse zu digitalisieren und haben in diesem Zusammenhang die Befürchtung, Bewerber:innen könnten schummeln. Hierfür gibt es aber effiziente Konzepte, die genau dies mit über 95-prozentiger Sicherheit ausschließen können.
- Welche positiven Nebeneffekte können Game-based Assessments mit sich bringen? (Stichwort: Fairness und Diversity)?
Ganz einfach: Game-based Assessments generieren objektive Auswahlkriterien, die wirklich zu Arbeitserfolg und -zufriedenheit führen. Der Fokus liegt also auf den individuellen Fähigkeiten und Potenzialen. Dabei rücken Merkmale wie Alter, Geschlecht oder Herkunft in den Hintergrund. So kann der berühmte Unconscious Bias im Recruiting überwunden werden und es entsteht mehr Chancengleichheit im Auswahlprozess. Das passt auch zu dem Trend, Bewerbungen zunehmend zu anonymisieren, weil es am Ende um das Können von Menschen geht. Schließlich wird immer mehr verstanden: Diversität hat nur Vorteile. Und alle profitieren davon, wenn jede Person auf der Stelle landet, an der sie sich wirklich entfalten kann.